Shakes-Bier. Eine Sportschau-Tragödie in 15 Akten
Oberstufenkurs Dramatisches Gestalten sorgt für einen vergnüglichen Fernsehabend mit kulturellen Hindernissen
Fernsehkonflikte – wer kennt sie nicht? Nicht selten gibt die Auswahl des Fernsehprogramms Anlass zu abendlichen Auseinandersetzungen. Zumal wenn mehrere Generationen vor demselben Gerät versammelt sind, lässt der Familienzwist nicht lange auf sich warten. Auf der Bühne der IKG-Aula entzweit Shakespeare die Gemüter, auch wenn es nicht um Sein oder Nichtsein geht, sondern um Macbeth versus Sportschau.
Vor der Bühne ein Wohnzimmer. Waltraud nimmt Platz und verwandelt mit einem Druck auf die Fernbedienung die Bühne in einen überdimensionalen Bildschirm. Finstere Gestalten versammeln sich zu unheimlicher Verschwörung: Hexen eröffnen das klassische Drama um Aufstieg und Niedergang des Grafen Macbeth. Während sich Waltraud (Lena Weiland) die englische Tragödie anschauen will, weil sie das für ihr Abitur brauchen kann, zählen für ihren Vater Schorschi (Philipp Ziegler) andere Prioritäten: „Erst kimmt die Sportschau, dann dei Abitur!“ Doch irgendwie scheint der Fernseher parteiisch zu sein, denn Shakespeare dominiert zu Schorschis Leidwesen das Programm; der Sport lässt auf sich warten. Nur Waltraud hat nichts davon, denn zuerst muss sie immer wieder zum Bierholen in den Keller, und dann steht auch noch der Franzi an der Tür, Papas junger Sportfreund (Thomas Bost), ein richtiger Hallodri, der Waltraud auch noch ganz übel anmacht. Die hat nun genug vom Filmabend und überlässt den Männern das Feld, die sich Bier bechernd und Fleisch futternd auf der Couch ausbreiten und dabei gescherte Chauvisprüche klopfen.
Was jetzt mit der Sportschau sei, will Franzi wissen. „Jedsmoi, wenn i den Kastn oschoit, kimmt da so a bläds Ritterzeig mit schiache Weiber, die so an englischn Schmarn daherre'n“, erklärt ihm der Schorsch. Die „greislichen Weiber“ sind freilich die Hexen (Sophia Rudolf, Pia Quast, Felina Beckenbauer, Betsi Hesse), die dem Grafen Macbeth (Thomas Bott) den nahen Aufstieg zum Königtum prophezeit haben. Als des Königs Tross just in Macbeths Burg einkehrt, nützt seine ambitionierte Gemahlin (Betsi Hesse) die Gunst einer dunklen Stunde aus und stiftet ihren Mann zum Mord an, um die Weissagung zu beschleunigen. Macbeth erhält die Krone, doch sein Gewissen macht ihm zu schaffen; um seine Macht zu sichern, begeht er weitere Morde, – die einzigen Szenen, an denen die Couchhelden Gefallen finden.
Der zügige Verlauf des Dramas wird immer wieder unterbrochen durch Tagesschau (Moderator Max Brockmann) und Werbespots, die auf skurrile Weise mit dem Geschehen verwoben scheinen. Da wirbt ein Chemiker (Ferdl Höng) für ein Spray namens Hexal, das hässliche Frauen in elfengleiche Schönheiten verwandelt (Morgana Michalski), worauf die Börse einen Kursgewinn der Hexalaktien verzeichnet. Die NSA (Leonard Weltzien, Sebastian Wenning) bietet den Zuschauern ihre „Dienste“ zu einem fairen Preis an – „Wir kennen Ihre Wünsche“ – und liefert die begehrten Waren (Hexal und Bier) gleich frei Haus: „Denn wir sind Ihnen näher, als sie denken!“. Und als einem verzweifelten Waldarbeiter (Raphael Renter) seine stumpfe Axt zerbricht, beschert ihm der Himmel eine Turboaxt, die „den Bäumen Beine macht“, womit auf eine Prophezeiung der Hexen angespielt wird: Macbeth werde solange König sein, bis sich der Wald von Birnham auf seine Veste zubewege.
Jedenfalls ist das Ende des Tyrannen ebenso besiegelt wie die Niederlage der Sechziger gegen den FC Bayern – eine Meldung, die bei Schorschi einen Tobsuchtsanfall auslöst, welchen Franzi mit einem kräftigen Schluck Schnaps zu stillen weiß. Und während dieser den Stern des Südens feiert, wird Macbeths Nachfolger zum König ausgerufen, umringt von den Hexen, die sich nach einer Hexalkur sichtbar verjüngt haben: Da macht der Franzi Augen, womit er Waltraud in Rage bringt, die ihrem Unmut über den versauten Schürzenjäger und Weiberhelden Luft macht. Mit einem resolutem Druck auf die Fernbedienung bereitet sie dem Fernsehabend und der Sportschautragödie ein energisches Ende.
Doch das amüsierte Publikum belohnt die Schauspieler (einige konnten hier nicht genannt werden) für ihre kurzweiligen Auftritte durch lang anhaltenden Applaus. Dieser gilt aber auch dem Autor und Regisseur des Stücks Kursleiter Ferdinand Höng, der in den Proben bis an die Grenzen physischer Erschöpfung gegangen war, und Wolfgang Nägele ("Komm, wir machen eine Revolution" 2012), der ihn mit Rat und Tat unterstützt hat, ferner den vier Darstellern der Werbespots, die ihre Einlagen selber geschrieben und inszeniert haben, sowie den drei Technikern aus der achten Klasse (Nico Zießow, Johannes Krämer, Julian Sager), die keine Mühen gescheut haben, um die Dramaturgie mit eindrucksvollen Licht- und Soundeffekten zu unterstreichen.