"In the end nothing changed but our minds"
Inspiriert durch den großen Barockkünstler und -architekten Dominikus Zimmermann entstehen - ganz dem Vanitas-Gedanken folgend - für eine sehr kurze Lebensdauer mithilfe von Kartonagen zauberhafte Lichtkunstwerke in neu geschaffenen Räumen. Zwei Oberstufenschüler berichten über ihre Erfahrungen beim Kunstprojekt "Architectus Lucis" in der Lechturnhalle.
Blickt man nach vorne, sieht man einen Tiger zwischen Grashalmen lauern, links von ihm versucht ein prachtvoller Schmetterling die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Aus einer anderen Richtung stiert der Teufel höchstpersönlich auf seine Betrachter, während ein Ritter bedrohlich seine Lanze zum Kampf erhebt. Ein paar Meter davon entfernt galoppiert ein Einhorn durch die Wälder und den Sonnenschein. Dreht man sich um, verschwindet der ganze Zauber und man befindet sich in einer ganz gewöhnlichen Turnhalle.
Überall liegen Cuttermesser auf dem Boden und man muss aufpassen, dass man nicht über die langen Kabel der Klebepistolen stolpert. In der einen Ecke schneiden und kleben Jugendliche an Kartonplatten, um sie zu großen Würfeln zu falten, in welche andere wiederum Fabelwesen, Figuren oder Muster hineinschnitzen. Nach und nach entstehen immer mehr Würfel mit unterschiedlichsten Motiven. Die fertigen Elemente werden an einer Turnhallenwand übereinander gestapelt, sodass sich eine mächtige Wand aus Kartonagen voller Bilder vor einem aufbaut. Dazu gehören unter anderem auch schwebende Figuren wie Basketballspieler oder Tänzer, die an und von den Wänden hängen und ebenfalls von Schülern hergestellt wurden.
Die Rede ist hier von einem Kunstprojekt, dass unter der Leitung von Wolfgang Hauck in der Turnhalle des Landsberger Ignaz-Kögler-Gymasiums stattfand. Nach dem Motto „wir folgen dem Schaffen von Dominikus-Zimmermann“ wurden aus Kartonagen Objekte, Räume, Figuren und Kostüme geschaffen, um so die Lichtkunst des Architekten selbst erleben und nachempfinden zu können. „Die Kunst bei der Architektur ist es, einen Raum zu schaffen“, erklärte Hauck. Das ist es zunächst, was wir mit den Kartonagen gemacht haben – Räume kreieren. Und weil es nun mal im Barock noch kein elektrisches Licht gab, haben wir kunstvolle Öffnungen und Ausschnitte in die Karton-Räume hineingearbeitet, denn: Alles ist innen zunächst dunkel, erst wenn Licht einfällt, wird es hell. Dieses Prinzip muss man sich nun in großen Dimensionen vorstellen, zumal wir große „Lichtraumkisten“ hergestellt haben, die man durch Herumschieben und Aufeinanderstellen beliebig kombinieren konnte.
Die Nachfrage am Projekt war riesig. Über 100 Schüler der Mittelschule, des Ignaz-Kögler-Gymnasiums sowie der Waldorf- und Montessorischule haben an dem Projekt an vier Vormittagen in der Woche vom 17. bis 21. 10. 2016 teilgenommen. Auch nachmittags und abends kamen immer mehr Leute zusammen, darunter Flüchtlinge, aber auch Architekten und Künstler, die Unterstützung leisteten beim Entwerfen und Bauen.
Am Samstag, den 22. Oktober, wurden die Ergebnisse dann präsentiert. Die Werkschau begann um 15 Uhr mit einem Umzug durch die Stadt, bei dem jedermann die beweglichen Figuren und Basteleien bewundern konnte. Um 16 Uhr wurde die eigentliche Cardboard-Ausstellung in der Turnhalle eröffnet. Dabei durfte man nicht nur die Kunstwerke betrachten und anfassen, sondern konnte auch selber zum Cutter greifen und nach Belieben zusätzliche Figuren oder Objekte entwerfen. Wie schon erwähnt wurden die in der Woche zuvor gefertigten 'Architekturelemente' aufgestellt und von hinten mit Scheinwerfern beleuchtet, um eine eindrucksvolle Lichtwirkung zu erzeugen. Richtig spannend wurde es dann ab 22 Uhr. Die Turnhalle wurde abgeschlossen und Kinder durften nur noch unter Aufsicht eines Erziehungsberechtigten in der Turnhalle bleiben, weil alles, was danach kam, nur noch Zerstörung war - das große Finale der Vernichtung. Konsequent, denn bei dem Projekt ging es vor allem um den Moment des Erlebens, nicht um das Überdauern, sondern um das Austauschen und Teilen. Mathijs Stegnik, ein leitender Teilnehmer und Experte in der angewandten Methode des „Cardboard-Design“ nannte das Ziel des Projekts: „In the end, nothing changed but our minds.“
Victor Bourauel und Lukas Brandt, Q 12