Zwei Leben, im Schmerz vereint
Das Ue Theater Regensburg gastierte am Ignaz-Kögler-Gymnasium mit "Elly und Ingo" - einem Stück, das sich mit Fremdenhass beschäftigt und dabei unbequeme Fragen aufwirft
Das Ende ist so ebenso verstörend wie große Teile des Stücks zuvor: Christine Wagner als Elly Maldaque und Daniel Zimpel in der Rolle des Ingo liegen beide zerstört am Boden. Ihre Figuren, die Freidenkerin und der Neonazi, klagen an: „Wir sind die Kinder dieses Landes - schaut uns an!“ Mit dieser Szene schließt das Stück „Elly und Ingo“, mit dem das Regensburger UE Theater zu Gast am Landsberger Ignaz-Kögler-Gymnasium war.
Rund 100 Schüler der achten Klasse verfolgten das Zwei-Personen-Stück, das sich mit Extremismus und Fremdenfeindlichkeit auseinandersetzt - und mit der Frage: Wie reagiert jemand, der in seinem Leben mit Hass geradezu überschüttet wurde? Denn tatsächlich eint dieser Aspekt die beiden Figuren in dem Stück des Autors und Regisseurs Kurt Raster. Raster selbst war bei der Aufführung ebenfalls dabei und moderierte eine Gesprächsrunde im Anschluss.
Auf der einen Seite steht Elly Maldaque, eine historische Figur: Sie war während der Weimarer Republik Lehrerin in Regensburg. Den Nazis, die in dieser Zeit an die Macht griffen, missfiel das Treiben der Rebellin, die sich in linken Singkreisen engagierte und einen Teil ihres Gehalts an Arme verteilte. Letztlich wurde Maldaque in eine Nervenheilanstalt eingewiesen, wo sie unter ungeklärten Umständen starb. Der Neonazi Ingo ist zwar eine fiktive Figur aus der Gegenwart, in seinen Wesenszügen aber an Aussteigerbiografien der rechten Szene angelehnt. Wie Elly erfährt auch Hass - und reagiert selbst wiederum mit Hass und Gewalt gegen alles Fremde und Schwächere.Elly und Ingo stehen sich in dem Stück gegenüber und zeigen, wie sie sich gegen die Zwänge wehren, die ihnen begegnen. Während die jungen Lehrerin Maldaque es schafft, sich von ihrem autoritären Vater zu lösen, gelingt das Ingo nicht: Er sucht die Nähe zu Rechtsextremen und reproduziert die Ausgrenzung, unter der er selbst leidet. Eingesperrt sind während des Stücks beide: Elly in der geschlossenen Abteilung der Psychiatrie, Ingo im Gefängnis wegen Körperverletzung.
Beide Figuren liefern sich anhand eines Dialogs einen einstündigen Wettstreit: Während Elly an das Gute im Menschen und ein humanistisches Weltbild plädiert, betrachtet Ingo den Menschen als Raubtier, das sich durchsetzen muss - gerade und vor allem gegen Schwächere. Zuletzt vermischen sich die beiden Bereiche: Ingo verprügelt zusammen mit anderen Rechtsextremen einen Dunkelhäutigen auf brutale Weise. Und doch ist es Elly, die von den Tritten getroffen wird und sich vor Schmerzen am Boden krümmt, bevor auch Ingo ebenfalls niedersinkt.
Autor Kurt Raster wählte dabei bewusst die Konfrontation von zwei Biografien, die fast 70 Jahre voneinander trennen. In der halbstündigen Diskussionsrunde nach dem Stück fragte er die Achtklässer: „Kann so etwas wie das Dritte Reich wieder passieren?“ In einer engagierten Diskussion tauschten die Schüler ihre Eindrücke aus.
Für die Darsteller des UE Theaters war der Besuch in Landsberg ein arbeitsreicher Einsatz: Im Anschluss daran führten sie noch für rund 100 Siebtklässler „Hier stinkt’s!“ auf, das sich mit dem Thema Mobbing beschäftigt. Der Besuch der Theatermacher ist dabei Teil eines Präventionskonzepts am Ignaz-Kögler-Gymnasium: Neben den Theaterstücken gegen Mobbing und Rechtsextremismus leisten das Sucht- und Drogenpräventionsprogramm MobiDig des Landratsamtes sowie Workshops zur Sexualerziehung Aufklärungsarbeit für ein kritisches Bewusstsein. Die Sparkasse Landsberg und das Landratsamt unterstützten den Auftritt mit einem Euro pro teilnehmendem Schüler, insgesamt also mit jeweils 200 Euro.